Definition Spätgotik
Der Titel unserer Ausstellung „Spätgotik – Aufbruch in die Neuzeit“ enthält einen scheinbaren Widerspruch. Kann etwas, das am Ende einer Epoche steht, gleichzeitig den den Anfang einer anderen bedeuten? Anfang einer anderen bedeuten?

Gotik als Epoche der Kunstgeschichte
Der Begriff „gotisch“ wird heute auf alle Kunstgattungen angewendet, die in Europa seit etwa 1200 entstehen. Die „Spätgotik“ umfasst im deutschsprachigen Raum die Zeit von etwa 1430 bis 1500, die letzte Phase mittelalterlicher Kunst vor dem Beginn der Neuzeit. Die tiefgreifenden Veränderungen dieser Phase münden in die Kunst der Renaissance und deren umfassende Wiederbelebung antiker Formensprache.
Gotik als Architekturstil
Begriffe wie „Spätgotik“ und „Neuzeit“ sind Erfindungen der (Kunst-)Geschichte. Der vielfach als Begründer der Kunstgeschichtsschreibung gefeierte Florentiner Giorgio Vasari (1511–1574) verwendet den Begriff „gotisch“, um die Architektur der vorangegangenen Jahrhunderte zu bezeichnen. Der Begriff ist von den Goten abgeleitet, jenen nordischen Stämmen, die seit dem 3. Jahrhundert ins Römische Reich zogen. Mit der „gotischen“ Architektur haben die Goten allerdings nichts zu tun. Vasari nutzt den Begriff vielmehr, um einen kulturellen Abstand von der italienischen Architektur seiner eigenen Zeit zu verdeutlichen und ältere Baustile als minderwertig zu charakterisieren. In Italien orientiert man sich seit dem 15. Jahrhundert an der klassischen Antike, während die Gotik auf Formen beruhte, die sich in der Mitte des 12. Jahrhunderts um Paris herum entwickelt hatten. Sie zeichnet sich durch Elemente wie Spitzbögen und Rippengewölbe aus.